Der Berliner Senat hält weiter an den Plänen zur Bebauung des Tempelhofer Feldes fest. Der von Christian Gaebler (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, vorgestellte Wettbewerb für eine mögliche Randbebauung des Tempelhofer Feldes wird, wie zu erwarten war, stark kritisiert.
Die EU-Bekanntmachung des Wettbewerbs fand am 13. November statt. Die Ausschreibung richtet sich europaweit an Teams oder Büros von Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten. Diese sind aufgerufen, Entwürfe mit oder ohne Randbebauung einzureichen.
Geld für Wettbewerb woanders besser nutzen
Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, lehnt die Bebauungspläne des Senats vehement ab: „Der Senat steht in der Pflicht, die deutliche Ablehnung einer Bebauung zu akzeptieren. Wenn der Senat sich selber ernst nimmt, müsste er ohnehin Entwürfe ausschließen, die eine Bebauung vorsehen. Gerade in der angespannten Haushaltssituation sollte deshalb auf einen Wettbewerb verzichtet werden. Das Geld kann an anderen Stellen besser und sozialer eingesetzt werden.“
Schwarze bezieht sich auf die Ergebnisse der vorangegangenen Dialogwerkstätten. Vom Senat initiiert waren ausgesuchte Berliner eingeladen, im Sommer 2024 über die Zukunft des Tempelhofer Feldes nachzudenken und Ideen zu entwickeln. Dazu gab es Workshops, Diskussionsrunden, Vorträge. Das Ergebnis war eindeutig: Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer sprach sich gegen die Bebauungspläne des Senats aus. Das Feld sollte bleiben, wie es ist – unbebaut für Erholung und Freizeit.

Gaebler wünscht sich eine Stadtdebatte
Trotzdem hält der Senat an den Bebauungsplänen für das Areal fest. Bausenator Gaebler verteidigte die Weiterführung des Wettbewerbs. Die im Sommer 2024 durchgeführten Dialogwerkstätten seien kein Abstimmungspodium gewesen. Die Ergebnisse würden von der Senatsverwaltung daher auch nicht als Votum der Stadtbevölkerung gegen eine mögliche Randbebauung bewertet werden. Das Verfahren würde also wie geplant weiter laufen, so Gaebler.
Allerdings wurde die Ausschreibung für den Wettbewerb angepasst, um dem Ergebnis der Dialogwerkstatt Rechnung zu tragen. Ursprünglich hatte die Senatsverwaltung einen rein stadtplanerischen Wettbewerb angedacht, es ging also nur um Ideen für Bauvorhaben.
Nun stellte Senator Gaebler einen „internationalen, zweiphasigen, stadt- und freiraumplanerischen Ideenwettbewerb“ vor. Eingereicht werden dürfen demnach auch Pläne, die den Freiraum Tempelhofer Feld gestalten. Es geht jetzt also auch um die Gestaltung der Fläche als Grünanlage ohne Bebauung.
Auf der Webseite der Senatsverwaltung heißt es vorsichtig über das Ziel des Wettbewerbs: „Der offene Ideenwettbewerb dient der Entwicklung kreativer und innovativer Entwürfe, welche eine Bandbreite von nachhaltigen Nutzungen mit oder ohne behutsamer Randbebauung abbilden sollen.“
Vorwurf: Senat erreicht die Wohnungsbauziele nicht
Julian Schwarze findet klare Worte und bezeichnet die Debatte des Senators um die Bebauung des Tempelhofer Feldes als ein „durchsichtiges Ablenkungsmanöver“. Vertuscht werden soll seiner Aussage nach das Versagen des Berliner Senats beim Erreichen der Wohnungsbauziele. „Statt sich mit Projekten zu beschäftigen, die so oder so in den nächsten Jahrzehnten nicht kommen werden, sollte der Senat lieber Planungen wie zum Baugebiet Neue Mitte Tempelhof wieder aufnehmen und so direkt schnell neben dem Feld Wohnungen bauen“, sagt Schwarze.

Das Gesetz verbietet jegliche Baumaßnahme auf dem Feld
Fakt ist, dass sich die Berliner in einem Volksentscheid vor zehn Jahren mehrheitlich für den Erhalt des Tempelhofer Feldes als Freifläche und gegen eine Bebauung ausgesprochen haben. Seitdem gilt das „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“. Es verbietet jegliche Baumaßnahmen. Rein rechtlich könnte das Abgeordnetenhaus das Tempelhofer-Feld-Gesetz von 2014 ändern und Wohnungsbau ermöglichen. Gesetzesänderungen verlaufen nach einem fixen Verfahren, dauern, sind aber an der Tagesordnung.
Wie geht das Parlament mit einem Volksgesetz um?
Allerdings gibt es Debatten darüber, wie das Parlament mit einem Volksgesetz umgehen soll. Kann man es behandeln wie ein anderes x-beliebiges Gesetz? Soll es einen weiteren Volksentscheid geben? Oliver Wiedmann, Büroleiter des Vereins Mehr Demokratie, fordert den Senat auf, die Ergebnisse aus den Bürgerwerkstätten ernst zu nehmen. Er kann nachvollziehen, dass die Entscheidung des Senats, den Wettbewerb einfach weiterzuführen, in der Zivilgesellschaft für Irritationen sorgt. Zwar seien die Ergebnisse aus den Werkstätten nicht bindend, „aber man kann sie auch nicht komplett ignorieren“.
Wiedmann hält den ganzen Ablauf für falsch. Zuerst hätte entschieden werden müssen, ob das Feld bebaut wird, am besten mithilfe eines neuen Volksentscheids, so der Vorschlag des Vereins Mehr Demokratie. Dann hätte man mit den Bürgern in Werkstätten über die Ausgestaltung diskutieren können.
So aber herrsche Chaos, die Abläufe seien einfach nicht klar. Was passiert denn nach dem Wettbewerb? Wie geht die Politik mit den Ergebnissen um, die daraus hervorgehen? Das seien Fragen, die schon vorher hätten geklärt werden müssen, merkt Wiedmann an.
Debatte wird Berlin erhalten bleiben
Die Frage, ob sich Berlin trotz der Wohnungsknappheit eine so große Freifläche mitten in der Stadt leisten kann, wird weiterhin ein strittiges Thema bleiben. Ist es gerecht, dass woanders nachverdichtet wird, das Feld aber unbebaut bleibt? Vielleicht bringen die Gewinnerideen für die raum- und stadtplanerische Zukunft des Feldes neuen Input in die Debatte. So wünscht es sich zumindest der Bausenator.

Gaebler will mit dem Wettbewerb eine Stadtdebatte anstoßen. Auch Mathias Schulz, Sprecher für Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hält die Bebauung für notwendig: „In ganz Berlin fehlen bezahlbare Wohnungen. Eine Option für uns als SPD ist daher eine behutsame Randbebauung am Tempelhofer Feld. Hier haben wir auf 100 Prozent landeseigenen Flächen die Möglichkeit, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum im Landeseigentum zu schaffen.“
Im Sommer 2025 sollen die Ergebnisse des Verfahrens im Parlament diskutiert werden. Für den Wettbewerb steht ein Budget von insgesamt 317.000 Euro zur Verfügung. In der Jury sitzen die Kopenhagener Stadtarchitektin Camilla van Deurs, Ulms Baubürgermeister Tim von Winning, die Bremer Senatsbaudirektorin Iris Reuther und ihre Berliner Amtskollegin Petra Kahlfeldt sowie die Zürcher Landschaftsarchitektin Maren Brakebusch und ihr Rotterdamer Fachkollege Peter Veenstra. Auch fünf Teilnehmer aus den Themengruppen der Dialogwerkstatt sind Teil des Preisgerichts.