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Zukunft des ehemaligen Flughafens bleibt ungewiss: Warum die Messe nicht nach Tempelhof zieht
Aus Tempelhof einen Messestandort machen, diesen Vorschlag machte ein Berliner Unternehmer. Doch im Senat stößt das auf wenig Gegenliebe – aus mehreren Gründen.
An Visionen hat es in Tempelhof nie gemangelt. Zunächst sollte der Standort zum größten Flugkreuz Europas werden. So wollten es die Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Sie entwarfen eine monumentale Architektur, die weniger durch differenzierte Gestaltung, denn durch die Ausmaße der Anlage besticht.
Als der traditionsreiche Berliner Flughafen 2008 nach vielen Jahren als militärischer und als ziviler Flughafen stillgelegt wurde, hatte die Stadt keinen Plan, was daraus werden könnte. Und so wurde in den Folgejahren mal diese, mal jene Idee ventiliert: Filmstadt, Olympisches Dorf, Rotlichtviertel, Rummelplatz, Wohnviertel, Windpark, Standort der Zentralen Landesbibliothek (ZLB) – um nur einige zu nennen.
Im Sommer nun der nächste Geistesblitz: Die Flughafengebäude könnten mit neu zu errichtenden Hallen auf dem Vorfeld zu Berlins neuem Messestandort werden. Der alte Standort könnte stattdessen dem Wohnungsbau weichen, wenigstens zu einem großen Teil.
Mit den derzeit handelnden Akteuren werden wir nichts umgesetzt bekommen.
Karin Teichmann, Mitglied und Sprecherin des Vorstands der Euref AG
Dies schlugen Reinhard Müller, Vorstandsvorsitzender der Euref AG und Karin Teichmann, Mitglied und Sprecherin des Vorstands, vor. Sie begründeten dies mit Sanierungskosten in Höhe von 700 Millionen Euro für den alten Standort, einem defizitären Betrieb, sinkenden Besucherzahlen, mangelnder Funktionalität und einem geringen Wachstumspotenzial.

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Stattdessen sei es besser, 700 Millionen Euro aus Wohnungsbauflächen zu erlösen und diese in Tempelhof zu investieren. Stimmt das?
„Wir wissen, dass wir Sanierungsaufgaben haben, was das Rückgrat des Gebäudes – die technische Infrastruktur – angeht“, sagte Fabian Schmitz-Grethlein, Geschäftsführer der Tempelhof Projekt GmbH, auf einer Veranstaltung des Vereins „Architekturpreis Berlin“ Anfang November im Tempelhof Tower. Es ist dies eines der ersten komplett barrierefrei sanierten Gebäudeteile des Flughafens Tempelhof.
Gebäudetechnik aus dem Jahr 1935
Der Airport wurde nie zu Ende gebaut, entsprechend groß sind die Sanierungsrückstände. Die Gebäudetechnik ist auf dem Stand von 1935. „Wir heizen mit Dampf“, sagt Schmitz-Grethlein. „Hinter jeder Wand können wir Überraschungen erleben. Wir versuchen, uns dem Ganzen en détail und nicht dem gesamten riesigen Gebäude zu nähern.“
Auf 66.000 Quadratmeter Dachfläche könnten rund 25.000 Quadratmeter mit Photovoltaik belegt werden; man plane eine dezentrale Energieversorgung.
Es geht also um Zwischennutzungen und Potenziale für weitere Teilinbetriebnahmen. Edith Wunsch, Leiterin des Bereichs Liegenschaft bei der Tempelhof Projekt GmbH, sagte auf der Architekturpreis Berlin-Veranstaltung „Metamorphosen“ zur Nutzung des Standortes: „Die Polizei belegt seit der Nachkriegszeit fast 50.000 Quadratmeter. Ebenso haben wir die Flüchtlingsnotunterkunft mit zirka 2500 Personen, die drei Hangars belegen.“
Dies seien komplett nach innen gekehrten Nutzungen mit hohen Sicherheitsanforderungen, was nicht zur Aktivierung des Standorts beitrage. „Es geht darum, die Nutzung aus dem Bestand zu entwickeln und nicht darum, dem Bestand etwas überzustülpen“, sagte Wunsch.
Teilabschnitte sollen aktiviert werden
Sie würde sich wünschen, dass sich der Berliner Diskurs weniger um die eine Lösung für alle anstehenden Fragen drehen würde, sagte die Liegenschaftschefin. Vielmehr müsse Wissen gesammelt werden, wie man das Beste aus dem Flughafen bzw. dessen Teilabschnitten machen können.

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Es gibt allein 13 große Treppenhäuser ohne neue Funktionszuschreibung: Sie werden nicht mehr dafür benötigt, Besuchermassen zu Flugschauen auf die Dächer zu bewegen. Oder doch?
„Im Moment weiß keiner, was hier in Zukunft passieren wird“, sagt Geschäftsführer Schmitz-Grethlein. Gebäude und Feld ließen sich in der Nutzung nicht voneinander trennen. Genau das hatten die Euref-Verantwortlichen aber vorgeschlagen.
„In dem konkreten Fall sehen wir tatsächlich erhebliche Schwierigkeiten in der Umsetzung, aus unterschiedlichsten Gründen“, ergänzt Nina Mütze, Sprecherin der Tempelhof Projekt GmbH, ihren Chef.
Haushaltslage spricht gegen Verlagerung der Messe
Tatsächlich ist die Idee bei den Verantwortlichen inzwischen vom Tisch. Ein Grund ist auch die Logistik. Bei einer Messe müssten hunderte von Lkw den Tempelhofer Damm passieren, während die Zufahrt zum Messegelände am Funkturm in den kommenden Jahren neu geordnet und verbessert werden soll.
Ein weiterer Grund: Die horrenden Kosten, die mit Sanierung und Umbau einhergehen würden. Aus Senatskreisen heißt es, diese seien beim Vorschlag für den Messestandort unterschätzt worden.
Zumal mit Blick auf die Haushaltslage und notwendige Einsparungen keine großen Sprünge machbar seien. Andererseits könne man sich fragen, was sich von den Euref-Vorschlägen aufgreifen lasse – ohne den Messestandort zu verlegen.
Hinzu kommen auch Bedenken, inwiefern ein solches Konzept mit dem Denkmalschutz vereinbar wäre. Selbst das Vorfeld des Flughafens, auf dem nach der Idee von Euref-Entwickler Müller Messehallen entstehen könnten, ist denkmalgeschützt.
Berlins oberster Denkmalschützer, Landeskonservator Christoph Rauhut, sagte auf der Veranstaltung des Vereins Architekturpreis Berlin, der Standort könne ein Leuchtturmprojekt für Berlin, aber auch für den Denkmalschutz werden. Die Frage sei, wie man in der Nutzungsfrage in einen diskursiven Prozess komme: „Wir haben in jeder Legislatur eine andere Nutzungsdiskussion.“

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Ohne Zweifel habe man es mit dem Flughafen Tempelhof mit einem industriellen Standort zu tun. „Man kann Berlin an dieser Stelle nicht komplett neu erfinden.“ Die Privatisierung von öffentlichem Eigentum sei eine weitere Herausforderung.
Finanzielle Tragfähigkeit ist entscheidend
Zum Euref-Vorstoß gab es am 6. November ein Treffen von Müller, Teichmann, Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und anderen mit Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD).
Doch deren Sprecher, Matthias Kuder, sagt auf Anfrage in der Retrospektive: „Was die Perspektive für den Zukunftsort Tempelhof angeht, sind gute innovative Ideen aus der engagierten Stadtgesellschaft natürlich willkommen. Allerdings muss genau abgewogen werden, was für die Stadt Sinn macht und auch finanziell tragfähig ist. Die Zukunft der Berliner Messe sehen wir weiterhin unter dem Funkturm, wo auch laufend in diese Zukunft investiert wird und neue Messen und Formate erfolgreich angeworben und entwickelt werden.“
Eine Prüfung der Euref-Vorschläge durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen wurde Müller und Teichmann nach Tagesspiegel-Informationen nicht zugesagt.
Teichmann wirbt auf Anfrage noch einmal für die Idee, kein weiteres Geld in den Erhalt von veralteten Messehallen zu stecken, sondern einen modernen Standort in Tempelhof aufzubauen. Das alte Messegelände könne für den Wohnungsbau verwertet werden, um damit Geld für Denkmalschutzmaßnahmen und Ähnliches in Tempelhof zu akquirieren.
Alle Messegebäude rund um den Sommergarten könnten für Spezialmessen erhalten werden. Die stützenfreie Halle Hub27 und der ebenfalls säulenfreie CityCube könnten zu Sporthallen für Berliner Proficlubs werden.
Die Euref-Vorstände hatten zudem den Einbau von 43.000 Quadratmeter Büroflächen in das Flughafengebäude und den Einbau von Hotels in den Empfangsbereich vorgeschlagen.
„Mit den derzeit handelnden Akteuren werden wir aber nichts umgesetzt bekommen“, sagte Teichmann auf Anfrage. Es sei gesellschaftlich unverantwortlich, dass der Betrieb des Standortes Tempelhof doppelt so viel koste, wie Einnahmen erzielt werden.
Die Unterhaltskosten bezifferte die Euref AG auf drei Millionen Euro jährlich. 2021 schätzte die Tempelhof Projekt GmbH allein die Kosten der Sanierung auf zwei Milliarden Euro.
Die Tempelhof Projekt GmbH nannte auf Tagesspiegel-Anfrage zur Einnahmen- und Ausgabensituation am Flughafen Tempelhof für das Jahr 2023 Bewirtschaftungskosten für die bebauten Grundstücke in Höhe von 31.584.498,38 Euro.
Dem gegenüber stehen Einnahmen aus der Grundstücksbewirtschaftung in Höhe von 19.815.469,55 Euro. Die im Vergleich zu 2022 gestiegenen Bewirtschaftungskosten resultierten einerseits aus einer verstärkten Nutzung, die sich auch auf der Einnahmeseite niedergeschlagen habe, andererseits aber „aus erhöhtem Instandhaltungsaufwand infolge des jahrzehntelangen Investitionsstaus“, teilte das Unternehmen mit.
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