Österreich als Vorbild: Bürgerrat in Pullach als Chance fürs Bahnhofsgebäude

In Österreich gibt es sie bereits, sogenannte Bürgerräte. Pullach startet jetzt einen Versuch, solch einen Bürgerrat einzurichten, um endlich eine Lösung zur weiteren Nutzung des alten Bahnhofsgebäudes zu finden.
Pullach - Ein Problem der Gemeinde Pullach ist, dass zwar Geld da wäre, um Dinge zu gestalten – aber die Flächen dafür fehlen. Das einzige Areal, das noch zu bespielen ist, ist das um den Pullacher Bahnhof herum inklusive des Bahnhofsgebäudes selbst. Immer mal wieder wurde darüber, wie man das Gebäude nutzen könne, im Gemeinderat debattiert, ohne Ergebnis. Jetzt stellten die Grünen, Pullach Plus und die SPD den Antrag im Gemeinderat, mit der Angelegenheit einen Bürgerrat zu befassen, der bei der jüngsten Sitzung knapp mit zehn zu acht Stimmen durchgegangen ist.
Exkursion nach Vorarlberg hat überzeugt
Teile des Gemeinderats hatten im Herbst vergangenen Jahres eine Exkursion nach Vorarlberg unternommen, wo Bürgerräte seit elf Jahren bestens funktionieren – und inzwischen als Instrument auch in der Landesverfassung verankert sind. Die Besucher aus Pullach kamen begeistert zurück, „mit leuchtenden Augen“, wie Renate Grasse (Grüne) sagte. Sie konnten aber nun nicht auch den Rest im Gremium davon überzeugen, wieviel so ein Bürgerrat bringen kann. Alle, die nicht mitgefahren waren, stimmten dagegen. Benno Schroeder war der einzige CSUler gewesen, der mit dabei war in Vorarlberg – und am Mittwoch dann auch für den Antrag votierte.
Einfach mal ausprobieren
Dabei waren die Argumente derer, die gegen den Bürgerrat stimmten, genau die Vorbehalte, die sich unter Umständen bei dem Besuch vor Ort aufgelöst hätten. Holger Ptacek (SPD), meinte, auch er sei dem Ganzen erst „sehr skeptisch“ gegenüber gestanden. Habe sich aber überzeugen lassen. Dass die Mitglieder eines Bürgerrats ausgelost werden, mache auf jeden Fall Sinn, sagte er. Die zwei Diskussionsrunden, die zu dem Verfahren gehören und auf eineinhalb Tage beschränkt werden, würden von Fachleuten moderiert. Man vergebe sich nichts, wenn man die Sache mal ausprobiere, appellierte er ans Gremium. „Wir haben ohnehin zu viele Lösungsmöglichkeiten für den Bahnhof auf dem Tisch, wir sollten den Bürgerrat als Chance sehen.“
Prinzip Bürgerrat
Die Bürgerräte, wie sie Vorarlberg seit 2006 praktiziert, funktionieren in zwei Runden. Runde eins wird bestritten von etwa zwei Handvoll Leuten, die ausgelost werden – es wird aber darauf geachtet, dass alle Altersgruppen und Geschlechter vertreten sind. Im ersten Durchgang geht es darum, dass die Beteiligten alle ihre Meinung sagen, was moderiert wird, es gibt eine Zusammenfassung. Bei einem zweiten Termin sind dann alle Interessierten eingeladen, sich anzuhören, was in Runde eins erarbeitet worden ist, es wird weiter diskutiert. Das Ganze dauert nur eineinhalb Tage. Die Bürgerräte bekommen im Vorfeld Materialien und Infos zum Thema. Wichtig ist auch, dass in den Bürgerrat keine Experten berufen werden. In Vorarlberg haben schon 40 Bürgerräte zu verschiedensten Themen getagt, alle mit Erfolg.
Stimmen und Zweifel aus dem Gemeinderat
Michael Reich (FDP): „Das Verfahren geht an der arbeitenden Bevölkerung vorbei.“ Reinhard Vennekold von der WiP unterstellte, die Angelegenheit könne verfassungswidrig sein, dass die Teilnehmer gelost werden, widerspreche dem Datenschutz. Alles in allem sei das Konzept „zu schwammig“ und wirke wie „aus der Hüfte geschossen“. Die WiP habe ihrerseits schonmal Leute gefragt, was sie sich vorstellen für den Bahnhof, damit habe man ja schon ein Meinungsbild. Christine Eisenmann (CSU) sagte, der Gemeinderat gebe, indem er die Frage weiterreiche an den Bürgerrat, „Verantwortung ab, es ist aber unsere Aufgabe, sich Gedanken zu machen“.
Letztlich wurde beschlossen, sich auf das Vorarlberger Modell einzulassen. Auch Fabian Müller-Klug (Grüne) hatte für das Ganze geworben, Bürgerräte seien ein „lösungsorientierter, pragmatischer Ansatz“. Und durchaus in der Lage, „für teils hochkomplexe Fragen Lösungen zu finden“. Am Ende des Prozesses hätten, so wurde es den Pullachern berichtet, alle Beteiligten das Gefühl: „Wir kriegen‘s hin.“