
© Sebastian Gollnow/dpa
Zukunft des Tempelhofer Feldes in Berlin: Jury kürt sechs internationale Entwürfe – mit und ohne Randbebauung
Bebauen oder nicht? Die Zukunft des Tempelhofer Feldes ist umkämpft. In einem Ideenwettbewerb wurden nun Entwürfe ausgezeichnet. Nur zwei sehen Wohnungsbau vor.
Die Jury für den Ideenwettbewerb zur Zukunft des Tempelhofer Feldes hat getagt. Statt wie ursprünglich angekündigt fünf Entwürfe wurden insgesamt sechs als Siegergruppe gekürt. Nur zwei von ihnen sehen eine Wohnbebauung vor. Zwei weitere wollen vor allem bestehende Nutzungen stärken, und zwei den ehemaligen Flughafen zu unterschiedlichen Landschaftsparks weiterentwickeln.
Die Ergebnisse stellten Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) und die Juryvorsitzende Iris Reuther, Senatsbaudirektorin der Hansestadt Bremen, am Montagmorgen im Neuen Stadthaus in Mitte vor.
Ein bisschen aber auch die Frage: Was können wir dort beim Thema Wohnen unterbringen?
Christian Gaebler, Stadtentwicklungssenator (SPD), zum Ideenwettbewerb
„Es ging darum, Ideen zu sammeln und zu visualisieren: Was kann auf dem Feld passieren? Was kann dort an Nutzungen für die Stadtgesellschaft realisiert werden?“, so Gaebler. Das seien Nutzungen wie die vorhandenen Freiräume und der Bedarf nach Freizeitgestaltung. „Ein bisschen aber auch die Frage: Was können wir dort beim Thema Wohnen unterbringen und soziale Infrastruktur?“
Aktuell ist das Feld per Gesetz für Bebauung gesperrt
Die schwarz-rote Koalition hatte sich in den Richtlinien der Regierungspolitik darauf geeinigt, die Debatte über eine mögliche Wohnbebauung des ehemaligen Flughafengeländes neu anzustoßen und dafür den nun beendeten Ideenwettbewerb durchzuführen. Im Koalitionsvertrag war er noch als „internationaler städtebaulicher Wettbewerb“ genannt worden. Ein Dialogverfahren in Form eines Bürgerrates aus Berliner:innen aller Bezirke hatte im September allerdings dafür plädiert, das Tempelhofer Feld weiterhin unbebaut zu belassen. Daraufhin war der Ideenwettbewerb nun als „internationaler stadt- und freiraumplanerischer Ideenwettbewerb“ ausgelobt worden.
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© Teresa Roelcke
Aktuell ist das Tempelhofer Feld durch ein eigenes Gesetz für eine Bebauung gesperrt. Das ist das Ergebnis eines Volksentscheides von 2014, bei dem die wahlberechtigten Berlinerinnen und Berliner mehrheitlich für die dauerhafte Freihaltung des Feldes gestimmt hatten. Auch damals ging es um eine Randbebauung des etwa 300 Hektar großen Areals.
Für den Ideenwettbewerb wurden nun 164 Arbeiten eingesandt, zwanzig hatte die Jury, in der auch Teilnehmende der Dialogwerkstätten saßen, für eine zweite Runde und die weitere Bearbeitung ausgewählt. Aus diesen zwanzig wurden nun sechs als „Preisgruppe“ gekürt – einstimmig, wir Jurypräsidentin Reuther betonte. Diese Einstimmigkeit sei alles andere als selbstverständlich.
Entwurf 1: Parkhäuser und eine neue Straße
Was schlagen die Arbeiten vor? Der Entwurf, den Senator Gaebler im Gespräch am Anschluss an die Vorstellung als besonders „charmant“ bezeichnete, stammt vom Kopenhagener Büro Schønherr und trägt den Namen „Tempelhofer Atem“. Er sieht die wohl intensivste Bebauung aus den gekürten Arbeiten vor: am Westrand zum Tempelhofer Damm hin und entlang der S-Bahntrasse im Süden. Gaebler erklärte, er finde die Logik an dem Entwurf überzeugend: auf der einen Seite die Bebauung, und zur Hasenheide und dem Schillerkiez mehr Bäume vorzusehen, die im Entwurf als „Waldrand“ bezeichnet werden. Ein Kreis im Inneren der Feldfläche soll laut diesem Entwurf komplett freigehalten werden.

© Schønherr, Kopenhagen; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Schwierig an diesem Entwurf dürfte die Erschließung des Baufeldes entlang der S-Bahn im Süden werden. Wie auch andere Entwürfe sieht die Arbeit von Schønherr einen weiteren S-Bahn-Halt am Südrand des Tempelhofer Feldes vor. Der Entwurf plant allerdings auch mit lauter Parkhäusern als Lärmschutzwände zur Autobahn hin, sodass auch eine Autostraße am Südrand des Feldes geplant wäre.
„Mindestens vierstellig“ dürfte die Größenordnung an Wohneinheiten sein, die bei einer solchen Bebauung entstehen dürften, sagte Juryvorsitzende Reuther.
Entwurf 2: 2400 neue Wohneinheiten
Der zweite Entwurf, der eine Wohnbebauung vorsieht, stammt von den Büros De Zwarte Hond und Grieger Harzer Dvorak Landschaftsarchitekten. Das Team arbeitet vor allem mit einer neuen Siedlung zum Tempelhofer Damm hin und schlägt dort 2400 Wohneinheiten vor. Dieser Entwurf rechnet auch die ohnehin geplanten 2000 bis 2500 Wohneinheiten der Neuen Mitte Tempelhof südlich von Auto- und S-Bahn in die Gesamtzählung, die mit einer Brücke ans Tempelhofer Feld angeschlossen werden würden. Außerdem plädiert das Team dafür, auch das Gebäudeensemble zwischen dem großen Flughafengebäude und dem Platz der Luftbrücke für eine teilweise Wohnnutzung in Betracht zu ziehen.

© De Zwarte Hond, Berlin; Grieger Harzer Dvorak Landschaftsarchitekten ParGmbB, Berlin; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Entwurf 3: eine Straßenbahn rund ums Feld
Ein deutlicher Gegenentwurf zu diesen Bebauungsentwürfen stammt vom Berliner Büro Raumlabor und dem Landschaftsarchitekten Klaus Overmeyer. „Das Tempelhofgesetz, das das Feld vor Bebauung schützt, muss erhalten bleiben“, sagte Benjamin Foerster-Baldenius von Raumlabor dem Tagesspiegel nach der Pressekonferenz. „Wir haben geschaut: Was sind die Prozesse, die in den letzten fünfzehn Jahren rund um das Tempelhofer Feld wichtig waren und wo ist Potenzial, die weiterzuentwickeln?“

© Raumlabor, Berlin; Klaus Overmeyer, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

© Raumlabor, Berlin; Klaus Overmeyer, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Das Ergebnis ist ein Entwurf namens „übe-räume für stadt-transformation tempelhof 2050“, in dem Projekte wie die Floating University und die Gärten des Allmende Kontors gestärkt werden sollen. Mehr Zugänge zum Feld, auch von Süden aus und durch das Flughafengebäude hindurch, sollen entstehen, mehr Sportflächen und eine Tram, die das Feld auf den Gleisen der ehemaligen Güterbahn umrundet. Der Zaun um das Feld soll weg, für das Vorfeld des Flughafengebäudes schlägt das Team ein offenes Forschungslabor für postfossile Bauformen vor.
Entwurf 4: bestehende Gebäude nutzen
Den Bestand stärken will auch das Team von Some Place Studio (Berlin) und FWD Landscape Architecture (Kalifornien/USA). Hier soll vor allem die Nutzung der bestehenden 32 größeren und kleineren Gebäude auf dem gesamten Gelände (inklusive des Flughafengebäudes) verstärkt in den Blick genommen werden. In der alten Gärtnerei soll eine Samenbank für Pflanzen des Tempelhofer Feldes entstehen.

© bbz landschaftsarchitekten berlin gmbH, Berlin; Senatsverwaltunf für Stadtentwicklung
Entwürfe 4 und 5: Wald, Hain und „Wiesenbalkone“
Und dann gibt es noch zwei Entwürfe, die das ehemalige Flughafenareal vor allem landschaftlich weiterentwickeln wollen: bbz landschaftsarchitekten schlagen vor, einen „Waldsaum“ rund um den Innenbereich des Tempelhofer Feldes zu pflanzen. Der Landschaftsarchitekt Franz Reschke schlägt fünf unterschiedlich charakterisierte Haine an den Rändern des Feldes vor, die durch „Wiesenbalkone“ voneinander getrennt werden.

© Franz Reschke Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Wie es weitergeht, ist völlig unklar
Im Vergleich zu den ursprünglichen Wünschen der schwarz-roten Koalition, hier einen städtebaulichen Ideenwettbewerb durchzuführen, sind also die Pläne für Erhalt und Stärkung eines unbebauten Feldes deutlich in den Vordergrund gerückt. Völlig unklar ist jedoch, wie politisch weiter mit den Ergebnissen umgegangen werden soll. Zwar steht fest, dass die Ergebnisse am 12. und 13. Juli nochmal in der Dialogwerkstatt den beteiligten Bürger:innen vorgestellt werden sollen, und dass die zwanzig Entwürfe aus der ersten Auswahl im Herbst öffentlich ausgestellt werden sollen.
Was davon in welcher Form umgesetzt werden soll, ist allerdings komplett unklar – ebenso wie der Weg, wie das entschieden werden könnte. Die Koalition hat immer wieder betont, dass letztlich die Berlinerinnen und Berliner über die Frage der Bebauung abstimmen sollen. Ein konkreter Plan, wie das noch vor oder spätestens mit der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2026 stattfinden könnte, zeichnet sich nicht ab.
Auf die Frage nach dem weiteren Vorgehen sagte Senator Gaebler: „Wir, die Stadtentwicklungsverwaltung, haben jetzt unseren Teil der Arbeit gemacht. Wir legen das dem Senat und dem Abgeordnetenhaus vor und dann muss dort entschieden werden, wann was auf den Weg gebracht werden wird.“ Dem könne er nicht vorgreifen. Immerhin: „Es muss dann ab September relativ schnell geklärt werden, ob man in dieser Legislaturperiode dann noch Entscheidungen erreichen will und auf welchem Wege,“ so Gaebler.
Christian Gräff, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, meint: „Damit sollte sich zunächst schnell das Parlament beschäftigen und dann müssen wir uns verständigen, wie wir die Berliner dabei einbinden können.“ Die Ideen des Wettbewerbs jedenfalls könnten die Berliner gut diskutieren: „Die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs zeigen spannende Möglichkeiten, die Ränder des Feldes zu entwickeln, preiswerten Wohnraum zu schaffen und die Stadt weiterzuentwickeln.“
Kritik von Architekten und Naturschützern
Das Netzwerk der Architects4THF sieht das offenbar anders: „Die Auswahl von Entwürfen, die Bebauung vorsehen, widerspricht der Auslobung des Wettbewerbs“, heißt es in einem Statement. Denn dort sei als erstes Bewertungskriterium die „Konzeptionelle Umsetzung und der Umgang mit den Ergebnissen aus der Dialogwerkstatt“ genannt worden: „Da die Ergebnisse der Dialogwerkstätten sich deutlich und mehrheitlich gegen eine Bebauung ausgesprochen haben, ist das Vorgehen der Jury zu kritisieren.“
Kritik kommt auch vom Berliner Naturschutzbund Nabu: „Das Tempelhofer Feld ist nicht nur ein wichtiger Erholungsraum, sondern auch essenziell für das Stadtklima und die Abkühlung der Umgebung und zudem ein Hotspot der Biodiversität in Berlin“, erklärt der Vorsitzende Rainer Altenkamp. „Wir lehnen jede Form der Bebauung entschieden ab – auch eine vermeintlich ‚behutsame‘ Randbebauung.“ Auch eine nur teilweise Bebauung zerstöre den einzigartigen Charakter des Gebietes, erhöhe den Nutzungsdruck auf die jetzt dem Naturschutz vorbehaltenen Flächen im zentralen Bereich massiv und gefährde damit alle dort vorkommenden Arten massiv.
Vom Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) heißt es, es sei ein Fortschritt, dass die Mehrheit der aktuellen Entwürfe keine Bebauung mehr vorsieht: „Aber es bleibt die Frage: Wozu brauchen wir überhaupt neue Entwürfe, wenn es längst einen fundierten Pflege- und Entwicklungsplan für das Feld gibt?“, so Verena Fehlenberg, BUND-Referentin für Stadtnaturschutz: „Die fortlaufende Erstellung neuer Konzepte wirkt unter diesen Umständen wie eine Verschwendung von Steuergeldern – und vor allem: wie ein weiterer Verstoß gegen den erklärten Willen der Bürger*innen.“
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